Hoffe auf das Beste, aber bereite dich auf das Schlimmste vor | Alles für den Professor

Dies ist ein Interludium zu der Fortsetzungsgeschichte „Hoffe auf das Beste, aber bereite dich auf das Schlimmste vor“.

„Von all den Arschlöchern, die in unser Gebiet hätten stolpern können, musste unbedingt Professor Superschlau seinen superschlauen Arsch in unseren Garten setzen“, nörgelte Rooster. Er hatte noch nie ein Geheimnis darum gemacht, dass er über Juans Bekanntschaft nicht gerade begeistert war, aber seit sie beschlossen hatten, wegen diesem hageren Typen in die Todeszone zu marschieren, war seine allgemeine Stimmung auf dem Nullpunkt angekommen. „Professor Superschlau wird uns alle retten, la-di-da!“, äffte er dann Moira nach, nachdem diese nicht sofort reagiert hatte, doch anstelle davon, wütend zu werden, grinste sie nur und zuckte mit den Schultern.
„Wunderbar, Rooster, einfach herrlich wie hell dein Stimmchen klingt. Du würdest mir besser etwas vorsingen, anstelle davon, nur herumzujammern.“ Moira kannte das Spiel schon lange und wusste, wie man mit solchen Machotypen umzugehen hatte, immerhin war sie nicht nur unter Raufbolden aufgewachsen, sie hatte auch ihr ganzes Berufsleben als Feuerwehrleutnant mit ihnen verbracht und Rooster zu handeln war eine ihrer leichtesten Übungen. Sie klopfte ihrem Teamkollegen freundschaftlich auf dessen Schulter und quetschte sich dann so elegant es eben ging zwischen einigen Möbelstücken hindurch, welche irgendwann einmal als Türbarrikade gedient haben mussten.
„Weißt du“, begann Rooster, nachdem er scheinbar mühelos eine Schrankwand auf die Seite geschoben hatte, damit sein mächtiger Körper ebenfalls durch die Tür passte, „wir hätten den Idioten wenigstens mitnehmen sollen, damit er ordentlich Angst bekommt.“ Etwas Staub und flockige Löwenzahn-Samen rieselten auf die beiden herab, als sie sich unter einem Balken hinwegbückten und unter eine zweite Barrikade krochen, deren zentraler Schreibtisch in Trümmern lag. Der Geruch war etwas angenehmer geworden, was zu diesen Zeiten ein gutes Zeichen war, trotzdem deutete Moira dem Hünen, seine Deckung nicht zu vergessen, als sie ins Foyer traten.
„Na klar“, sagte sie schließlich, währendem sie mit zusammengekniffenen Augen über den Lauf ihres Jagdgewehrs blickte und den großen Raum nach Bewegung absuchte. „Und wenn wir schon dabei sind hätten wir auch gleich die Kinder mitnehmen können.“ Alleine die Vorstellung, dass sie den ängstlichen Professor mitschleppen müssten, reichte aus, um ihr den letzten Nerv zu rauben. Erst recht, wenn man bedachte, dass er vielleicht wirklich der einzige lebendige Mensch war, der dem ganzen Spektakel ein Ende setzen könnte und sie ihn deshalb unter gar keinen Umständen verlieren durften.
„Ja, schon klar“, willigte Rooster dann doch noch ein, wenn auch nur mit einem mürrischen Grummeln, um seinen Unmut noch ein letztes Mal klarzustellen.
Soweit schien der Eingangsbereich unbelebt, oder besser gesagt „unverstorben“, also holsterte Rooster seinen Revolver und schlenderte zum Aufnahmetresen, wo er leicht angewidert einen vergammelten Apfel herunterschnippte. „Was für ein Schweinestall!“ Vermutlich hatte er versucht, sich schwungvoll über den Tresen zu schwingen, blieb jedoch mit einem seiner Kampstiefel hängen und landete ebenso unsanft wie geräuschvoll neben einem Bürostuhl. „Verflucht nochmal!“, zischte er, mehr verlegen als unter Schmerzen.
Moira gluckste amüsiert und beugte sich eine Hand anbietend zu ihm runter. „Rooster, Rooster, Rooster“, begann sie, währendem sie den Mann, der sie um gut einen Kopf überragte, auf die Beine zerrte, „deine Tollpatschigkeit wird dir irgendwann noch das Leben kosten.“ Sie beide lachten, obwohl ihnen klar war, dass diese Bemerkung alles andere als lustig war. Heutzutage konnte man von Glück reden, wenn man den nächsten Tag erlebte, denn ohne medizinische Versorgung konnte selbst die kleinste Verletzung tödlich enden.
„Also“, unterbrach Rooster das Gelächter nach einer Weile und zeigte auf den Lageplan, welcher an der Wand hinter dem Pult angebracht war. „Wohin genau müssen wir den jetzt, Boss?“ Die Angesprochene trat einen Schritt näher an die Karte, studierte sie kurz und tippte dann mit der Mündung ihrer Waffe auf einen hellgrün markierten Bereich. „Hier. Die meisten Labore sind im Westflügel untergebracht. Das ist…“ Langsam, mit konzentriertem Ausdruck drehte sie sich einmal um die eigene Achse und wies dann auf einen dunklen Durchgang im hinteren Teil der Lobby, „dort drüben.“
Die beiden hatten sich dazu entschlossen, eine kurze Pause einzulegen, bevor sie sich auf den Weg machten und saßen inmitten eines unordentlichen Wartesaals auf einer umgekippten Bank, wo sie sich eine Packung Kartoffelchips teilten. Moira mochte diese ruhigen, entspannten Momente, wenn Rooster zu beschäftigt damit war, zu essen, um ständig vor sich hin zu plappern, aber sie konnte sie dennoch nicht allzulange aushalten. So sehr ihr der grobschlächtige Mann manchmal auf den Senkel ging, sie war froh, dass sie ihn damals in der Tierhandlung gefunden hatte.
„Ich frage mich, wo all die Patienten hin sind.“ Sie schnippte einen Chip in die Luft und fing ihn kunstvoll mit dem geöffneten Mund auf, bevor sie sich zum wiederholten Mal neugierig umsah. „Ich meine nur, wir haben mit einer ganz anderen Situation gerechnet.“
„Keine Ahnung. Vielleicht sind sie evakuiert worden?“, gab Rooster unsicher zur Antwort und erstaunte Moira damit, dass sein Vorschlag tatsächlich Sinn machte. „Vielleicht sind sie aber auch nur alle raus gegangen um einen Spaziergang im Mondschein zu machen.“ Ein dumpfes Klatschen hallte durch den Saal, als die ehemalige Feuerwehrfrau ihrem Begleiter in den muskulösen Oberarm boxte, gefolgt von einem heiteren Kichern und dem unverkennbaren Gurgeln eines Toten, dessen Kehlkopf verrottete.
Die Reflektor-Streifen an Roosters Jackenärmel blitzten für einen kurzen Augenblick auf, als Moira den Strahl ihrer Taschenlampe herumwirbelte, um die stinkende Quelle des Geräuschs ausfindig zu machen, doch sie entdeckte nichts, zumindest nicht in diesem Raum. Rooster, der die Chipstüte mit einer Hand heldenhaft an sich drückte wie ein Stofftier, griff mit der anderen blitzschnell nach seiner Handfeuerwaffe und stellte sich routiniert mit dem Rücken gegen Moira, bevor er flüsterte: „Richtung?“ Die beiden waren ein eingespieltes Team und wussten, wie sie in solchen Momenten aufeinander zu reagieren hatten, immerhin waren sie schon seit Monaten zusammen unterwegs. Doch bisher waren sie noch nie in der unglücklichen Lage gewesen, sich in einem so unübersichtlich weitläufigen Gebäude aufzuhalten, in dessen Gängen sich überall Monster aufhalten könnten.
„Ich bin nicht sicher“, erwiderte Moira, räusperte sich und fügte dann mit einer Mischung aus Angst und Resignation in der Stimme an: „aber ich glaube es kam von Westen.“
„Professor Superschlau braucht die Proben, um herauszufinden welche Irregularität zu der Mutation geführt hat“, begann Rooster Moira wieder nachzuahmen, währendem er sich hinter ihr an der Wand entlang in Richtung Westen schlich. „Und wir lassen uns natürlich gerne von Zombies zerfleischen, wenn wir Professor Superschlau damit helfen können.“
„Jetzt halt endlich die Klappe“, fauchte Moira und stolperte beinahe über einen am Boden liegenden Infusionsständer. „Was willst du von mir hören? Dass es mir Leid tut?“ Sie hielt kurz inne und atmete tief durch, bevor sie etwas leiser fortfuhr: „Soll ich dir sagen, dass ich es hätte gut sein lassen sollen und wir besser im Camp geblieben wären und mit den anderen so getan hätten, als könnten wir für immer in dieser beschissenen Berghütte bleiben, anstelle davon wenigstens zu versuchen, etwas gegen diese verfluchte Scheiße zu unternehmen?“ Ihr Sprechmuster war immer schneller und abgehackter geworden, so dass Rooster mit Sicherheit bemerken würde, dass sie kurz davor war zu weinen. Nach alledem, was sie beide durchgemacht hatten wollte sie nicht einfach aufgeben, wollte nicht akzeptieren, dass die gesamte Menschheit verloren war, also hatte sie sich freiwillig gemeldet und damit ihren besten Freund in Gefahr gebracht. Rooster legte eine raue Hand auf ihre Schulter und gab ihr damit schweigend zu verstehen, dass er es ihr nicht übel nahm und Verständnis hatte, bevor er die Tür zum Westflügel aufstieß und mit einem mächtigen Hieb den leblosen Körper, welcher dahinter gelauert hatte, gegen einen Schubwagen schleuderte.

Autorin: Rahel
Setting: Todeszone
Clues: Mondschein, Schweinestall, Reflektor, Löwenzahn, Irregularität
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