Das Problem mit der Weltherrschaft

Diese Story ist auch als Hörgeschichte erschienen.

Abseits des malerischen Bergdorfs staksen zwei Schreiberlinge durch den Wald, in dem sie so manche Redaktionssitzung abgehalten haben. Nachdem diverse Dringlichkeiten wie anstehende Emails an einen Verlag, ein neues Schema für das Lektorat und ihre jeweiligen Lieblingskaffeesorten diskutiert worden sind, will die Blondere erfahren: „Nun, berichte von deinen Neuigkeiten, irgendwelche Fortschritte mit der Forschung?“ Statt zu antworten betrachtet die Angesprochene wie hypnotisiert die vor ihnen hin- und her wippenden Hundehoden. Diese schwarzen, fast haarlosen Kugeln, welche sich vom ansonsten weiß-braun-gefleckten Beaglefell hervorheben, boten schon oft Stoff für die kindischen Albereien in der Clue Writing Redaktion.
„Klöten oder Anus?“ Lenkt sie vom Thema ab und formuliert die Frage gleich einem Rätsel aus einem obskuren Mythos, betont die Anfangsbuchstaben mit schwer klingendem Pathos. „K-löten. Oder. A-nus?“, wiederholt sie auf die auffälligsten Merkmale der Köterrückseite deutend.
„Anus“, erwidert die andere, kickt ein Steinchen über den Wanderweg, verzieht die Lippen zu einem „O“ und imitiert mit ihrem Mund die sich nach außen stülpende Hinterpforte des Vierbeiners. „Eindeutig der Anus.“
Die letzten drei Jahre waren rasant sowie hochbrisant verlaufen, der Zufall hatte ihnen nämlich die Chance offenbart, den Verlauf der Menschheitsgeschichte tiefgreifend zu beeinflussen. Derartige Aussichten warfen die stoische Blonde und stets gelassene Blondere selbstverständlich aus der Bahn, somit ist das Geplänkel über Hundehinterteile eine willkommene Abwechslung und besänftigt die Gemüter.
„Der Kommandant Beagle hat die Prä-Kack-Stellung eingenommen“, posaunt die Blonde mit militärischem Tonfall und sogleich wird die friedliche Waldatmosphäre von ihrem Gelächter durchbrochen. Wie vorhergesagt kauert sich das Tier umständlich zwischen zwei Sträucher, was die Blondere dazu bringt, zwischen zwei Lachsalven „Defäziervorgang initiiert!“ zu quietschen. Schwups purzelt die Wurst auf die Blätterdecke, gefolgt vom Rascheln eines Kotsäckchens.
Eine Weile schreiten sie schweigend über Pfützen, Matsch und Wurzeln und während die eine den prallgefüllten Kackbeutel durch die Luft wirbelt, fotografiert die andere im Vorbeigehen Vogelbeerenbüsche. Das stumme Nebeneinander ist unüblich, dennoch vertraut. So bedarf es auch keiner Absprache, was zu tun sei, als sie den Spielplatz erreichen. Sie setzen sich auf die Schaukeln und nachdem der Hund seinen Ball abgeholt und damit ins Unterholz gehüpft ist, räuspert sich die Blondere. „Wir sollten uns wirklich darüber unterhalten.“
„Klar.“ Die Blonde vermeidet direkten Augenkontakt, ausnahmsweise absichtlich. Seufzend gibt sie zu: „Die [Inhalt zum Schutz der öffentlichen Sicherheit entfernt] Frequenzen lassen sich zwar mit [Inhalt zum Schutz der öffentlichen Sicherheit entfernt] ausgleichen, zumindest physikalisch gesehen, die Ausgleichswellen scheinen jedoch keinerlei Effekt auf die geprägten Individuen zu haben. Keine Ahnung, weshalb es nicht klappt.“
„Oh, Okay.“ In der Stimme der Blonderen schwingt Enttäuschung mit. „Wir machen es also nicht?“ Die Verlockung ist freilich riesig, schließlich stolpert man nicht alle Tage über die Chance, tatsächlich die Weltherrschaft an sich zu reißen.
„Achtung, Flughund!“, warnt die Blonde vor ihrem herbeispringenden Beagle, welcher wenige Millimeter vor ihrer Co-Autorin zum Stehen kommt und ihr den vollgespeichelten Ball in den Schoß legt.
„Iiih“, zetert diese das Spielzeug mit dem Finger wegschnippend. „Deswegen sind Katzen cooler, die werfen dir keine Sabberklumpen an.“
„Korrekt. Sie legen dir nur totes Geflügel auf die Terrasse.“ Erneut hechtet der Hund ins Gebüsch, vergisst dort seinen Ball, schnappt sich einen unproportional großen Ast und macht es sich damit unter einer Haselstaude bequem. „Zurück zum Thema. Die Technik ist längst nicht ausgereift, die geprägten Individuen reagieren mit übersteigerter Zuneigung, weit mehr, als für die Erlangung der Weltherrschaft notwendig ist“, erklärt die Blonde. Es ist weniger ihr Pflichtbewusstsein, das sie davon abhält noch am selben Abend die gesamte Weltbevölkerung mittels einer Clue Cast Episode zu unterwerfen, eher ihre Abneigung gegen die Idee, das Objekt jedermanns Begierde zu werden.
„Das sagst du seit bald drei Jahren, Rahel. Die [Inhalt zum Schutz der öffentlichen Sicherheit entfernt] Wellen sind einwandfrei kalibriert, jeder einzelne Test ist geglückt und der Imprint funktioniert mit jeder Person, die im [Inhalt zum Schutz der öffentlichen Sicherheit entfernt] Frequenzbereich hört“, holt die Blondere aus uns lässt keinen Zweifel daran, dass ihr enorm widerstandsfähiger Geduldsfaden langsam überstrapaziert wird. „Dann wirken die [Inhalt zum Schutz der öffentlichen Sicherheit entfernt] Wellen halt eben zu gut, was soll‘s?“
„Scheiße Sarah, so einfach ist das nicht“, schnaubt die Blonde, steht von der Schaukel auf und tritt frustriert in die auf dem Boden ausgestreuten Holzschnitzel, was den Beagle animiert, ausgelassen über den Spielplatz zu toben. „Meinst du es ist lustig, wenn Menschen dich für den Messias halten, bloß weil sie eine mit [Inhalt zum Schutz der öffentlichen Sicherheit entfernt] veränderte Audiodatei deiner Stimme gehört haben?!“ Das Erstreben der Weltherrschaft war schon lange ein Insiderwitz und gehörte zu Clue Writing wie die Wortschöpfung ‚Grandiotastisch‘, das Unvermögen zur Selbstvermarktung, satirische Weihnachtsgeschichten und wöchentlich erscheinend Kurz- und Hörgeschichten. Freilich ist es keineswegs dasselbe, über etwas zu scherzen oder es als greifbare Realität zu verstehen. „Fuck, du kannst dir nicht vorstellen, wie froh ich über deine Schwerhörigkeit bin. Eine mir gefügige Sarah …“, brummt die Blonde und erschaudert. „Ein abartiger Gedanke.“
„Ach, ich hab dich gern und du gibst mir regelmäßig Nahrung, ich bin dir quasi hörig und das sogar ohne deine [Inhalt zum Schutz der öffentlichen Sicherheit entfernt] Imprint-Technologie.“ Solche Aussagen sind eine totsichere Art die Blonde gleichzeitig zu verunsichern sowie zu erfreuen und die Blondere im Gegenzug zu amüsieren.
„M-hm, m-hm. Du und der Beagle, mit Essen immer zu ködern“, frotzelt sie ihre verfressene Freundin und macht sich eine mentale Notiz, ihr bei Gelegenheit einen Pot Gemüsechili zu servieren. „Ich habe echt keine Lust darauf, von jedem Arschloch auf der Welt vergöttert zu werden und du willst den Text nicht einsprechen, allerdings habe …“
„Sehe ich ein“, wird die sie von der Blonderen unterbrochen. „Trotzdem schade. Überleg mal, Rahel: Wir könnten die Welt verbessern, sie zu einem megalotastischen Ort machen!“ Die Angesprochene grinst kaum merklich und öffnet den Mund, da plappert die normalerweise ruhigere der beiden weiter: „Naja, zumindest für uns. Wobei wir ja durchaus versuchen werden, all den sinnlosen Streit zu beenden. Du weißt schon, das ganze Theater wegen Religion, Politik und anderen Empfindlichkeiten fände ein Ende.“
„Jup.“ Das anfänglich dezente Grinsen wird breiter, bis ihre obere Zahnreihe vollständig freigelegt ist. „Wir sind schließlich gute Menschen und als solcher schlage ich vor, den unangenehmen Part der Arbeit jemand anderem zuzuschieben.“
„Hä?“, tönt die Blondere, bevor sie sich interessiert nach vorne beugt und dabei beinahe von der Schaukel fällt. Tollpatschigkeit liegt bei Clue Writing sozusagen in der Literaturfamilie und wird vermutlich eines Tages zum Ableben beider Schreiberlinge führen. „Erzähl!“
„Nun, ich habe es mir erlaubt, die Aufgabe des Messias-Spielens outzusourcen, ohne an Kontrolle einzubüßen.“ Just in dem Moment plärrt ihr Klingelton, eine genial-peinliche Dubstep-Version des Super Mario Songs, durch den idyllischen Wald. „Im Prinzip ist es simpel“, fährt sie ihr Handy ignorierend fort. „Und alles ist vorbereitet.“
„Es klingelt“, drängt die Blondere, denn es macht sie hibbelig, wenn Mitteilungen und Anrufe nicht umgehend beantwortet werden.
„Später. Wo war ich?“ Sie nimmt das vom Beagle herbeigetragene Stöckchen, wirft es ungelenk gegen einen Baumstamm, dann endlich erläutert sie ihren Plan: „Klaus hat gestern Abend eine Sprachnachricht von mir erhalten, eine mit [Inhalt zum Schutz der öffentlichen Sicherheit entfernt] Frequenzen manipulierte Nachricht, um genau zu sein. Darin enthalten ist der Befehl, für unsere Zwecke als Sprachrohr der neuen Clue Writing Weltregierung zu agieren. Cool, oder?“ Ehe die Blondere einen Kommentar dazu abgeben kann, wird ihr ein Handybildschirm unter die Nase gehalten. „Schau, er ruft gerade an. Ein Hoch auf Klaus!“
„Ha, auf das ihn jedermann lieben wird!“

Autorin: Rahel
Setting: Redaktionssitzung
Clues: Flughund, Lektorat, Streit, Clue Cast, Ball
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