Homo homini Lupus est. Die unwiderstehliche Boshaftigkeit der Gruppendynamik

Diese Story ist auch als Hörgeschichte erschienen.

Luana saß vor einem der schräggestellten, gigantischen Panoramascheiben, die drei Seiten der etwas altmodisch eingerichteten Lounge einrahmten, und blickte, hypnotisiert von den weißen Schaumkronen der gebrochenen Wellen, auf die See. Die anderen waren kurz nach Abfahrt der Fähre in den Duty-Free Läden verschwunden und waren gerade dabei, sich für drei Jahre mit Kosmetika und Kinkerlitzchen einzudecken. Das […] Weiterlesen

Von Tiefflügen und Klammerbemerkungen

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Ja, da stehe ich nun. Vor dem Spiegel in der öffentlichen Toilette lausche ich dem Kotzgeräusch meiner Teenager-Tochter, in die ich Jahre mühsamer Arbeit investiert habe und zu der mir nur noch ein einziges Wort einfällt: Versagerin. Nein, das darf ich nicht sagen, gar nicht erst denken, geht es mir wie jedes Mal durch den Kopf, denn am Ende muss man seine Kinder bedingungslos lieben, zumindest behaupten das immer alle. Doch […] Weiterlesen

Countdown

Als wir nach unserem Sonntagsbrunch und einer übertrieben hitzigen Diskussion über das Für und Wieder des neuen Ortsschild-Designs, das Panoramarestaurant verlassen lausche ich, wie das gleichmäßige Raunen Frühstücksgesellschaft nach und nach verblasst. Du gehst ein kleines Stück hinter mir, so dass ich meinen Kopf etwas weiter als üblich drehen muss, um sicher sein zu können, dass du mich hörst, währendem wir durch den puristisch dekorierten Flur zu den Aufzügen schlendern und uns über dieses oder jenes unterhalten. Die beiden Tagesausflügler vor uns, die es sich nicht […] Weiterlesen

Séadhnas Irrfahrt, oder: Der verspätete Odysseus

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„Junger Mann“, begann der gute Crawford, nicht darum verlegen, das dunkle Timbre seiner Stimme aufs vollste auszuschöpfen. „Wollen Sie uns am Grund Ihrer erneuten Verspätung teilhaben lassen?“ Séadhna schluckte leer und kratzte sich beschämt an seinem Dreitagebart, bevor er den knarrenden Holzstuhl, auf welchem er eben erst Platz genommen hatte, nach hinten schob und sich tapfer den missbilligenden Blicken seiner Mitstudierenden stellte. […] Weiterlesen

Während wir leben

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„Mami! Beth hat schon wieder meine Legosteinschranke geklaut“ schrie Timmy wutentbrannt, als er mit großen Schritten auf seine Mutter zulief und wild mit seinen dürren Ärmchen fuchtelte. „Ich brauche sie doch für mein Tor.“ Veronikas langes weißes Kleid flatterte verspielt im Wind, während sie sich zu ihrem aufgebrachten Sohn umdrehte und in die Hocke ging, um ihn in seinem Lauf auffangen zu können. „Ach Mäuschen“, sagte […] Weiterlesen

Kategorischer Imperativ für Anfänger

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„Ach komm schon!“, rief Hugh aus und schlug, für seine Verhältnisse ungewöhnlich leise, auf den Tisch, um den Kellner auf sich aufmerksam zu machen. „Noch ne Runde!“
In der brütenden Nachmittagshitze war jede Erfrischung willkommen, doch Drews skeptische Miene legte nahe, dass er das fünfte Stout nicht unbedingt für die beste Idee hielt. Natürlich sagte er nichts und machte wie immer, wenn die beiden Männer im Biergarten saßen und etwas feierten, trotzdem mit. Das feuchtwarme Klima setzte ihm […] Weiterlesen

Sommertagträumerei

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Es war ein ungewöhnlich heisser und schwüler Sommernachmittag, die Leute schleppten sich apathisch und demotiviert durch das Dorf, wenn sie wirklich nach draussen mussten und die Bauern mähten ihre üppigen Wiesen, welche die Hügel der Voralpenlandschaft bedeckten, jeweils erst am späten Abend. Ich hatte es mir am Ende der langen Bank bequem gemacht, die an dem Rand des Dorfplatzes stand und von einem grossen […] Weiterlesen

Ziege mit Sonnenschirm

Satoshi knetete nervös auf seinen langgliedrigen Fingern und versuchte vergebens, einen legeren, gelangweilten Eindruck zu vermitteln, als er einige Schritte hinter seinem Vater durch die ordentlich vollgestellten Gänge des Künstlerbedarfsladens schlenderte. Zum ersten Mal seit seinem Abschluss vor beinahe zwei Jahren hatte er sich heute früh dazu überreden lassen, die Wohnung zu verlassen, obwohl die Streiterei am Frühstückstisch weniger mit Überredungskunst, als mit Erpressung zu tun gehabt hatte, aber die […] Weiterlesen

Ich wünschte, ich wüsste wie es sich anfühlt, frei zu sein

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Das Gras ist feucht und die abgebrannte Stelle, auf der bis letzten Sommer immer unser Grill gestanden hatte, verströmt den Geruch von nasser Pappe. Gestern ist meine Frau gestorben und hinter Messners lieblos zusammengezimmerten Schuppen sehe ich eine rote Mütze auf und ab wippen; ein Kind, das sich durch den Regen nicht vom Schaukeln abhalten lässt. Ich sammle den letzten Gartenzwerg auf und werfe ihn, zusammen […] Weiterlesen