Fan-Bonus | Wechselwirkung

Diese Story ist auch als Hörgeschichte erschienen.
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„Pü-del-düt“, äffte Ann das Durchsagesignal nach. „Alte Mosterei, Dü-del-püt.“ Vis-à-vis saß Luanne mit überschlagenen Beinen und ihrem schicken Totebag auf dem Schoß und starrte sie konsterniert an. Um ihre Verlegenheit zu überspielen, kicherte Ann, lehnte sich vor und ächzte:„Anstrengender Tag heute.“
„Naja.“
„Ich bin froh, dass wir viel Zeit zum Lernen hatten.“ Luanne rückte von ihr weg und kramte ihren Sonnencremestift aus dem kleinen Täschchen, das zwischen ihrem Laptop und einem Ordner steckte. Selbst ihre Handtasche war so aufgeräumt und präsentabel wie die blonde Berufsschülerin. „Es war wirklich schwierig“, fügte sie spendabel an, wohl um Ann entgegenzukommen und nicht, weil sie es ehrlich meinte.
„Ja, sauschwierig.“ Die letzten Tage waren nervenaufreibend gewesen, nie zuvor hatte sie dermaßen lange am Stück gepaukt. „An die Hälfte des Prüfungsstoffs habe ich mich kaum erinnert.“
„Ach.“ Die andere hüstelte und Ann glaubte, ein Grinsen zu erkennen. Bestimmt fand sie es lustig, sie gestresst zu sehen. Luanne war wie üblich perfekt vorbereitet gewesen, statt in letzter Sekunde den Schulstoff von drei Jahren zu büffeln. Es musste toll sein, wenn einem das Lernen leichtfiel. „Du hast eh bestanden.“
„Hoffen wir es.“ Sie hatte ein schlechtes Gefühl bei der Sache und Luannes Plattitüden wirkten eher wie herablassend denn aufmunternd. „Hm. Freust du dich auf die Abschlussreise?“, versuchte sie schließlich das Thema zu wechseln.
„Ähm, ja. Ja, schon irgendwie.“ Sie wischte ihren Sonnencremestift am Oberschenkel ab, öffnete die Kappe und verteilte die Pomade auf den Händen. Sogar das machte sie gewissenhaft.

„Ich wäre ja lieber nach Amsterdam.“ Das erstaunte Luanne kaum und sie konnte sich auch denken, warum. „In der Schweiz ist es auch schön“, nuschelte sie und leckte den Saucenfleck von ihrem Pastrami-Sandwich vom Mundwinkel, der sie offensichtlich seit dem Mittag nicht gestört hatte.
„Berge und so ein Zeug halt.“ Begeistert war sie vom Reiseziel auch nicht unbedingt, zumindest lag die Unterkunft abgelegen und sie müsste sich nicht mit ihren betrunkenen Mitschülerinnen rumschlagen, wenn sie von der Bar-Tour zurückkehrten.
„Ha!“, lachte Ann und ließ sich gegen die Sitzlehne fallen. Es war selten, dass sie beide gemeinsam in der S-Bahn unterwegs waren. Zwar besuchten sie dieselbe Berufsschule, allerdings verbrachte die Dunkelhaarige meistens einige Stunden mit ihren Freunden, bevor sie ging, während Luanne sofort nach Unterrichtsschluss nach Hause rauschte. Sie hatte einfach keine Lust darauf, mit denen abzuhängen, wo sie sich ohnehin wie das fünfte Rad vorkäme. „Ja, und da gibt es einen See. Vielleicht können wir dort baden.“
„Ja. Baden.“ Ihr graute davor, sich den anderen in einem Badeanzug zu zeigen, egal wie sehr sie sich bemühte, garantiert fänden die eine Kleinigkeit an ihr, über die sie sich lustig machen könnten.
„Lass mich raten: Du nimmst mindestens zehn Bücher mit und legst dich damit ans Ufer?“, spottete Ann vorgeblich im Scherz. Im Gegensatz zu ihr war Luanne die graue Maus, das war sie eigentlich überall und das war ich auch ganz recht so.
„Ja. Ist mir lieber als …“, begann sie, guckte aus dem Fenster auf den vorbeiziehenden Schrebergarten, da fuhr ihr Ann ins Wort.

„Als mit uns Spaß zu haben? Schon klar.“ Kaum hatte sie das gesagt, wurde ihr flau im Magen. Sie hatte nicht vorgehabt, mit Miss Perfect einen Streit vom Zaun zu brechen, es war ihr einfach rausgerutscht. Das passierte ihr manchmal, sie redete drauflos, ohne sich über die Konsequenzen Gedanken zu machen, selbst ihre mündlichen Noten litten darunter.
„Bitte?“ Nun streckte sich ihr Gegenüber, glotzte sie Ann an, als wäre sie einer der Lehrer, denen sie stets konzentriert zuhörte.
„Nein, nein“,  wiegelte Ann ab und aus dem anfänglichen Schock, etwas provokatives geäußert zu haben, wurde der Drang, die Auseinandersetzung zu gewinnen. Sie funkelte Luanne giftig an, legte den Kopf in den Nacken und bemerkte sarkastisch: „Kein Ding, ich versteh’s ja, wir sind dir sowieso zu doof.“
„Zu doof?“ Sie quietschte beinahe, zog damit die Aufmerksamkeit eines anderen Fahrgasts auf sich. Ann genoss es, die beherrschte Luanne aus der Fassung gebracht zu haben, sie war ansonsten so steif, als hätte sie einen Kerzenständer im Hintern stecken. „Wie kommst du denn jetzt darauf?“
„Ach, vergiss es.“ Das Schmunzeln auf ihrem Gesicht sollte ihr ein wenig Zeit schinden, sie war unerwartet in der Situation gelandet und brauchte einige Sekunden, sich zu entscheiden, wie sie am besten reagieren konnte.
„Nein, jetzt sag schon. Wie kommst du auf sowas?“, verlangte Luanne mit ungewöhnlich festem Tonfall zu wissen.

„Na wie wohl? Du rennst nach dem Unterricht geradezu vom Areal, sitzt immer irgendwo mit einem Buch in der Ecke.“ Luanne rollte mit den Augen, natürlich wurde ihr das vorgeworfen. „Und wenn du uns ausnahmsweise nicht ignorierst, rollst du mit den Augen, wenn jemand eine Frage nicht beantworten kann.“ Ertappt schaute sie auf die am Boden stehende Einkaufstasche der Passagierin im anderen Abteil.
„Was? Ja … ihr seid es doch, die mir bei jeder Gelegenheit aus dem Weg gehen!“, ereiferte sie sich und packte ihren Sonnencremestift ein, bereit, bei der nächsten Haltestelle auszusteigen. „Und wenn ihr dann mal mit mir sprecht, dann auch nur, weil ihr jemanden braucht, der Gruppenarbeiten für euch erledigt!“
„Also bitte! Jetzt tu nicht so, als würde dich das stören.“ Ann war aufgestanden, vermutlich wollte sie Luanne mit dem wütenden Abgang zuvorkommen. „Du reißt dir die Arbeiten jedes Mal unter den Nagel. Weißt du noch, beim Bauhausprojekt letzten Monat? Du hast meinen Teil komplett umgeschrieben. Ungefragt!“
„Ich dachte bloß, dir damit einen … Hm“, kam sie ins Stammeln, legte ihre Tasche zurück den Schoß und atmete langsam durch. Wahrscheinlich war das tatsächlich unhöflich gewesen, das hatte sie nie überlegt. „Ich dachte bloß, ihr würdet mich mehr mögen, wenn ich euren Kram erledige!“
„Oh …“, tönte Ann, hielt inne und plumpste wieder auf den Sitz. „Aber wie kommst du denn auf die Idee, dass wir dich nicht mögen?“
„Na, wir reden nie miteinander.“

Autorin: Rahel
Setting: S-Bahn
Clues: Maus, Pastrami, Kerzenständer, Mosterei, Schrebergarten
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