Special zum 1. April | Hinternhältige Scherze

„Och, mein Allerwertester. Wenn das nicht der Herr Doktor Rectulum ist“, begrüßte Reinhard Agnus seinen Kollegen. Er linste durch die kleinen runden Brillengläser, fuhr mit den Fingern durch seinen langen Bart.
Kain Rectulum, dessen strohiges, rotblondes Haar in alle Himmelsrichtungen abstand, hob grüßend den Hut und meinte fröhlich: „Och, ich befürchtete schon, mein alter Freund Doktor Agnus lässt sich die Proktologenkonferenz entgehen. Was freue ich mich, dich zu sehen.“
„Keineswegs, mein Teurer. Zwar gehen Luftschiffe am Arsch vorbei – Schiffe gehören in den Ozean, wie Stuhl ins Klo – mein Auftritt hier ist dennoch Pflicht.“
„Ach, mein Freund“, zischte Kain Rectulum halb verärgert, halb belustigt. „Wir sind in gehobener Gesellschaft, ‚Gesäß‘ wäre angebrachter.“ Er unterbrach sich und deutete auf einen feinen Herrn mit Zylinder, der eben das Podium betrat. „Oh, sieh mal einer an, Lord Hurt Buttington ist sogar pünktlich.“
„Pah“, machte Agnus verächtlich. „Bloß weil bereits seine Urahnen die führenden Proktologen des Landes waren, bildet dieses geschniegelte Rektalwiesel sich ein, sich aufzuführ…“
„Pst“, mahnte Doktor Rectulum seinen Kollegen. „Wir sind im Hotel Uranus, in einem solchen Traditionshaus kannst du dich nicht wie einer der Dienstboten ausdrücken, die durch den Hintereingang gehen.“
„Von mir aus“, brummte Agnus mürbe und sein Kamerad wechselte das Thema.
„Warst du auf Fachzusammenkünften in Europa letztes Jahr? Ich habe vernommen, da gäbe es neue Erkenntnisse? Dampfbetriebene Darmspülungen und andere moderne Dinge?“
„Oh ja, in den großen Zentren der Forschung gibt es alles, was gut und rektal ist“, bestätigte Agnus. „Das wahre Vergnügen ist das Reisen, die Landschaft – ich habe alles von Darmstadt bis zur Po-Ebene gesehen – wahrlich ein großartiges Erlebnis.“
„Ich sollte auch mal wieder auf Wanderschaft“, nickte Rectulum. „Aber du weißt, wie es ist: So viele Furunkel, so wenig Zeit.“
„M-hm“, pflichtete der andere ihm bei und ächzte. „Nun denn, ich platziere meinen Hintern auf dem Stuhl und dann lauschen wir diesem Analphabeten von Buttington. Ich hoffe, er lässt dieses Mal seinen kackschlechten Aprilscherz bleiben.“
„Oha, was habe ich denn verpasst, als ich letztes Jahr die Tagung geschwänzt habe?“, fragte Rectulum, nestelte ein After-Eight aus der Jackettasche und biss ein Stückchen vom Rand ab.“
„Das hast du verpasst? Das war das Hinterhältigste, was je jemand an einer Konferenz getan hat. Ich ging davon aus, darüber würde landesweit bei jedem Proktologen im Pausenraum gesprochen.“
„Bitte, spann mich nicht auf die Folter – ich mag Klatsch“, kicherte der Rothaarige. „Erzähl.“
„Er schlug als Aprilscherz vor, den Plural des Wortes ‚Anus‘ auf ‚Anüsse‘ anzupassen, dabei haben wir uns erst vor fünf Jahren auf ‚Anerinos‘ geeinigt, weil es besser als ‚Anii‘ klang. Und das Schlimmste an der Sache: Die meisten Professoren haben wie immer nicht zugehört und dafür gestimmt. Seither heißt es in den Statuten der Proktologengesellschaft offiziell ‚die Anüsse‘.
Kain Rectulum unterdrückte ein Lachen, atmete tief durch und meinte: „Lord Buttingtons Scherze werden mit jedem Jahr dümmer, das steht fest.“ Nach einem Blick auf seinen Chronometer ergänzte er: „Uff, und heute ist der erste April. Schauen wir, was er auf Lager hat. Seine scheißschlechten Witze werden eines Tages in die Annalen der Proktologengesellschaft eingehen.“
Reinhard Agnus seufzte, ihm war dieser kanalisationstiefe Kloakenhumor zuwider, die Aprilscherze des Lords waren mit geistigem Dünnpfiff vergleichbar. Trotzdem wünschte er sich manchmal, selbst ein wenig kindischer geblieben zu sein. Egal wie scheiße, die proktologische Ulknudel hatte zumindest ihren Spaß.
„ … und eröffne die annuale Konferenz“, hallte Lord Hurt Buttingtons Stimme durch das Auditorium. „Zu Beginn steht auf der Traktandenliste die Vorstellung eines neuen Produkts aus der Firma meines Neffen, der Proktologiebedarf herstellt.“ Der alte Mann hob ein Sitzkissen auf, das von einem Tuch bedeckt wurde und riss den Stoff mit der Dramatik eines zweitklassigen Zauberers zur Seite: „Das Rektalmonokel! Man braucht lediglich eines, denn …“
Ein Raunen ging durch die Menge und selbst der sonst stets leicht zu amüsierende Rectulum zog die Nase kraus, als hätte er Exkremente gerochen.
„Ist der Lord heute Morgen zu tief ins Bidet gefallen, oder was?“, spottete Lady B. Linddarm, eine Koryphäe auf ihrem Gebiet, und Doktor F. U. Runkel, Deutschlands renommierteste Proktologe, proklamierte proaktiv: „Sie infernalischer Enddarmausgang, das ist die Höhe des Bullenkots!“
„Halte deinen schmutzigen Mund, du sprichst nicht mit dem Anus Präter sondern mit mir!“, konterte Lord Hurt Buttington entrüstet, während Rectulum sich laut wunderte: „Ist der nicht mehr ganz warm im Darm?“
Agnus zuckte mit den Schultern, lehnte sich zurück und genoss des Schauspiel. Noch nie hatte sich jemand gegen den Lord zur Wehr gesetzt, zu einflussreich und mächtig war die Nervensäge. Doch dieses Jahr hatte er es zu weit getrieben. Da brüllte der Mob wild durcheinander – einige verteidigten die Idee, andere bezeichneten sie und ihren Urheber als Flitzekacke im Quadrat und wieder andere kreischten einfach der Albernheit halber mit. Erst nach einigen Minuten gelang es Doktor Poe sich Gehört zu verschaffen „Herrschaffen, bitte. Ruhe!“
In der Tat verstummte die aufgebrachte Proktologenschar und Lort Buttington murmelte kleinlaut: „Danke, Doktor.“ Er war augenscheinlich verunsichert, sodass sogar der sonst so schadenfreudige Agnus ein Kotspritzerchen Mitleid verspürte. An den Saal gewandt erkundigte sich der Lord: „Darf ich zu erfahren verlangen, was an dem Produkt auszusetzen ist?“
„Wer sollte ein Monokel am Rektum tragen wollen?“, posaunte Doktor Runkel sofort heraus. „Da hinten gibt es nichts zu sehen, in der Unterhose herrscht völlige Dunkelheit.“
„Du meine Güte!“, rief der Lord aus und schmunzelte, wie nur ein Herr, der in seinem Leben in zu viele Hintern gesehen hatte, schmunzeln konnte. „Das Monokel wird nicht am Rektum getragen, es schützt das Auge des Proktologen vor allfälligem Durchfall. Es ist die Schutzbrille für den Arzt von Welt.“
Erneut flüsterte und schnatterte es im Konferenzsaal, diesmal überrascht, gefolgt von erst vereinzeltem, dann anschwellendem und schließlich tosendem Applaus. Rectulum klopfte seinem Freund auf die Schulter: „Na, mein Guter, da haben wir uns im alten Buttington getäuscht. Er hat nicht ausschließlich Blödsinn im Kopf.“
„Ich traue dem Kerl weiterhin nicht über den Weg“, murrte Doktor Agnus und steckte seine Pfeife an, als der Lord auf der Bühne bereits Bestellungen für die neueste Erfindung seines Neffen entgegennahm. Noch ehe Rectulum etwas dazu sagen konnte, stürmte eine erboste Putzfrau in den Raum, die eine Saugglocke überm Kopf schwang. „Welcher Unhold hat alle Klos auf dem Stockwerk verstopft? Das ‚Uranus‘ ist ein angesehenes Haus und solche Scherze sind absolut unangebracht!“
„April, April!“, lachte Lord Hurt Buttington eine Sekunde, bevor ihn die triefende Saugglocke mitten aufs Monokel traf.

Autorin: Sarah
Clues: Arsch, Po, Hintern, Gesäß, Allerwertester
Setting: Proktologenkonferenz
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