Tagebücher und andere Dummheiten

Ein neuer Tag, neues Glück? Nein, nicht ganz, doch irgendwie so war mir das Sprichwort, das ich mir zu Herzen nehmen wollte, in Erinnerung. Ja, ich bin nun mal nicht gut mit Sprichworten. Damit muss man leben, oder wenn es einen ärgert, es ändern. Wie ihr sicher längst festgestellt habt, ärgert es mich nicht.
Nicht, dass je jemand mein Tagebuch lesen würde, also kann ich solchen Blödsinn hier reinkritzeln. Lebt damit, meine lieben, imaginären Zuhörer. Hach, jetzt würde ich gerne mit einem Satz fortfahren, der genug Pathos hat, um euch alle von euren fetten Hintern zu hauen, etwas wie: „Und in dem Moment begann ich zu ahnen, dass die Nachwelt mein Tagebuch minutiös studieren würde, um in das Hirn eines Serienkillers zu schauen.“ Da-Da-Dam!
Nein, nein, keine Bange, ich bin ein ganz normaler Mensch, wie jeder andere auch. Ich sitze hier im Wartezimmer der Orthopädie und warte nur darauf, endlich meinen Termin hinter mich zu bringen. Obwohl, jedes Mal wenn ich Pelzträger sehe, erwacht in mir die Mordlust – wer weiß, vielleicht werde ich eines Tages herausfinden, ob es auf dieser Welt irgendwo Pelz-Conventions gibt, da hinreisen und … Nein, zum Killer habe ich nicht das Zeug, ganz egal, wie sehr ich mich abmühe, so viel ist klar.
Halt, wo war ich? Nicht, dass je jemand auf die Idee kommen würde, dass ich ständig den Faden verliere, nein, niemals! Ach ja, bei einem neuen Tag. Wer weiß, vielleicht würde mein Orthopäde ja heute gute Nachrichten haben, seit ich mir beim Parcours meinen Fuß ruiniert habe, hat meine Fitness drastisch nachgelassen. Aber wenn man vom Geländer einer Brücke auf das Dach eines Häuschens springen will, sollte man sich vielleicht vorher vergewissern, dass nicht irgendein Volltrottel das Gebäude abreißen ließ und man in ein Loch im Boden fallen wird. Außer Arztspesen nix gewesen – oder so ähnlich.
Doch heute ist ein neuer Tag, denn ich hatte gestern die Realisation meines Lebens, die meine gesamte Existenz von Grund auf verändern wird. Ich werde alles besser machen, immer glücklich sein und nie wieder etwas bereuen müssen, denn ich habe das Geheimnis des inneren Friedens entdeckt. Ist euch schon mal aufgefallen, dass das durchschnittliche Publikum dieser Nachmittagsfernsehsendungen bis auf ein paar dauerdepressive Sozialfälle immer so selbstzufrieden wirkt? Als ich das vor kurzem begriffen habe, fiel es mit wie Schuppen vor den Augen. By the way, wieso sollen Schuppen fallen? Sternschnuppen, die sich mit „n“ schreiben, okay, aber Fischschuppen? Fallen die dann in Fischsuppen? Vielleicht. Ich würde es ja recherchieren, doch das darf ich nun nicht mehr, denn wie eben notiert, fiel es mir wie Schuppen vor den Augen: Man muss nur dumm sein, um glücklich zu sein. Und ja, dumme Leute recherchieren nicht, was es mit Schuppen auf sich hat. Wenn man nur dumm genug ist, bemerkt man nicht mehr, wie dumm man eigentlich ist und hält sich für den Größten. Sogar wenn man dabei ab und an auf die Fresse fliegt, so wie ich beim Parcours vor einiger Zeit, bleibt man noch immer zufrieden. Der perfekte Plan. Ich muss los, der Orthopäde kommt.

Hallo, lieber dummer Zeitgenosse. Ich weiß nicht genau, wieso du dein Tagebuch im Wartesaal der Orthopädie-Praxis liegengelassen hast und was an deiner Geschichte mich interessieren sollte, doch ich spiele jetzt einfach mal mit und hinterlasse dir meine paar Zeilen. Es hat schon einen gewissen Unterhaltungswert, dass du aus purer Blödheit in ein Loch gefallen bist, bevor du auf die Idee kamst, wirklich dumm zu werden. Nur hat dein Plan einen großen Haken: Du bist keine Mikrobe, sondern ein Homo Sapiens. Selbst wenn du es schaffen solltest, nach deinen neuen Grundsätzen der Dummheit zu leben, so wirst du nicht plötzlich in der Lage sein, längst gemachte Überlegungen ungedacht zu machen. Du wirst dich immer erinnern, dass du einmal halbwegs normal denken konntest, Dinge in Frage stellen konntest, Sachen wissen wolltest … So etwas geht nicht weg, oh nein! Aber eine gute Nachricht habe ich für dich: Da du so dumm warst, auch nur für eine Sekunde zu glauben, dass er dir gelingen könnte, besteht vielleicht noch Hoffnung. Also wünsche ich dir viel Glück dabei, deine intellektuelle Schleimspur (denn es sind zweifellos keine nützlichen Brotkrumen) auszuwischen und dabei nicht aus Versehen ein letztes Mal die wahre Großartigkeit des Universums zu erkennen. Wäre doch schade, wenn an dir ein Idiot verloren ginge.
Hochachtungsvoll,
Dein K.

Mein Fuß tut weh,
Mein Fuß tut weh,
Ohje, ohje,
Mein Fuß tut weh!
(PS: Geniales Gästebuch, Leute)
Grüße, P.

Also, wenn ich das richtig verstehe, vertrieben wir uns neuerdings die Wartezeit damit, in das Tagebuch eines Möchtegern-Serienkillers zu kritzeln, der in ein Loch gefallen ist – da muss ich gleich mitmachen! Ich weiß ja nicht, ob du das Buch hier liegenlassen hast, um dir zu beweisen, dass du zu dumm bist, auf deine Dinge aufzupassen, doch sogar wenn nicht … Ach, was soll’s: Wie dumm ist das denn? ;)
Lieber Unbekannter, was auch immer dein Problem mit der Welt ist, ich hoffe für dich, die Tatsache, dass du in diesen Seiten eingehend verspottet wirst, lenkt dich wieder auf den rechten Pfad, was auch immer der sein mag. Und wenn nicht, ich werde darüber keinen Schlaf verlieren, schließlich habe ich etwas zu lachen gehabt.
W.

„Intellektuelle Schleimspur“, ich lach mich platt! Wie bei einer Schnecke!
-L.

Liebe/r L: Der Witz wird nicht besser, wenn du ihn erklärst.
Hasta la vista, Baby! A.

Windows Vista? Zu lange her.
-L.

Wann holt der Trottel endlich sein Buch ab? Das liegt jetzt schon seit einer Woche hier und unsere Praxis ist keine Müllhalde!
Dr. M.

  1. was here!

Lieber Herr Doktor,
Lassen Sie uns bitte dieses Gekritzel, das wir hier zu unserer Unterhaltung nutzen, wir amüsieren uns köstlich. Ich hoffe ernsthaft, der Kerl holt das Ding mal ab und liest es sich durch, so viel Aufmerksamkeit kriegt ein Verrückter mit Tagebuch selten.
Grüße, P.

Lieber Besitzer dieses Tagebuches,
es tut mir leid, dich informieren zu müssen, dass dein Vorhaben, dich ganz deiner Dummheit zu widmen, gescheitert ist. Deine wahnsinnigen Gedankenergüsse bereiten zu vielen Menschen Vergnügen und auch, wenn sie nicht mit dir, sondern über dich lachen, so hast du doch etwas geschaffen, dass weitaus grösser ist als du es dir je zu träumen gewagt hättest. Zwar hätte deine Sache mit den Pelzträgern Potential gehabt, aber da hast du letztendlich nichts erreicht, weil du niemanden ermordet sondern schon zuvor aufgegeben hast. Dafür hat dieses Tagebuch liegenzulassen zu vielen Leuten Vergnügen bereitet, als dass es eine dumme Idee hätte sein können. Im Namen der ganzen Wartezimmer-Community möchte ich dir dafür danken und hoffe inständig, dass du diese Zeilen eines Tages liest (und noch nicht zu dumm zum Lesen geworden bist).
Mit den besten Wünschen,
G.

Und wenn er nicht verblödet ist, sucht er sein Buch noch heute! ;)
A.

Ist ja gut, bei seinem nächsten Termin gebe ich es ihm zurück.
Dr. M

Papa had gesagt, ich sol hir nicht reinschreiben, weil es nicht mier Gehörtt. Ich will aber Halo sagen. Halo Fremder!
Bussi, F.

Autorin: Sarah
Setting: Orthopädie
Clues: Mikrobe, Pelzträger, Fitness, Realisation, Schleimspur
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