Weihnachts-Special | Der Jesus-Coup

Diese Story ist auch als Hörgeschichte erschienen.

„So ein Scheißdreck“, murrte Rufus und schob ein Holzscheit ins Lagerfeuer. Seine beiden Genossen wärmten ihre Füße an den Flammen, ihre Sandalen lagen daneben auf dem dreckigen Boden. Ihre Begeisterung hielt sich in Grenzen, als Rufus fortfuhr: „Bei Mars, jetzt sollen wir auch noch zigtausende Neugeborene umbringen, sogar ohne die Überzeit bezahlt zu bekommen.“ Er pickte ein paar Lehmkügelchen auf und schleuderte sie zornig sowie ungeschickt von sich. „Etwas zusätzliches Bier und Brot wäre das mindeste, das uns für den Mist zustünde!“
„Vor allem geht das ewig so weiter, obwohl sämtliche Legionäre Roms im Einsatz sind. Zu dritt schaffen wir bestenfalls ein Dorf pro Tag“, meinte Dufus, Rufus’ jüngerer Bruder. „Völlig übertrieben, diese Aktion.“
„Ständig von wütenden Eltern mit Steinen beworfen zu werden, ist auch nicht gerade lustig“, klagte Gufus, der dritte im Bunde. „Und das Geheul erst … Niemand hat ein freundliches Wort für uns übrig, die Leute hassen uns, womöglich wollen sie uns ans Fleisch. Es ist nicht zum Aushalten.“
„Ach, was jammerst du, Gufus? Du willst bloß zu deiner Angebeteten nach Rom“, lachte Dufus. „Dabei hast du doch uns, oder sind wir dir etwa nicht hübsch und liebreizend genug?“
„Wieso?“, stöhnte Rufus sich theatralisch an die Stirn fassend. „Göttin Vesta hat es auf mich abgesehen, mich mit einem derart nervtötenden Bruder zu strafen. Nun, ach …“, klönte er zur Belustigung seiner Kammeraden weiter. „Nun wurde ich ausgerechnet mit klein Dufus auf diese sterbenslangweilige Mission gesandt. Lieber stürbe ich auf dem Schlachtfeld.“
„Na na“, tönte Dufus beleidigt. „So schlimm bin ich nicht. Wir sind ein prima Team, Bruderherz. Du wirst schon noch zu deinem Heldentod kommen, bis dahin amüsieren wir uns.“
„Das wird dauern“, wandte Gufus ein und wackelte mit den Zehen. „Ihr habt den Zenturio gehört. Herodes wird nicht ruhen, bis alle Neugeborenen ausgemerzt wurden oder er dieses Jesuskind gefunden hat, von dem er besessen ist. Wer weiß, wann dieser Wahnsinn zu Ende geht.“
„Sagte ich ja, ewig wird es dauern, Mehrarbeit ohne Bonussold. Eine Prämie gibt es bestimmt nur für den, der das Kind aufspürt.“ Dufus gähnte ausgiebig und klopfte sich Rußpartikel vom Rock. „Herodes weiß nicht einmal, wie das Jesuskind aussieht, woher sollen wir …“
„Herodes weiß nicht, wie das Jesuskind aussieht. Das ist es!“, stieß Rufus aus, grinste schelmisch und wiederholte: „Herodes weiß nicht, wie das Jesuskind aussieht! Ist euch Trantüten klar, was das bedeutet?“
„Ähm … was?“ Dufus blinzelte verwirrt, Gufus kratzte sich an der Nase. „Sag schon.“
„Simpel, es ist zu simpel. Wir hohlen uns einen neugeborenen Jungen, präsentieren den dem Zenturio und behaupten, der Bub sei dieses Jesuskind, das Heordes unbedingt haben will. Danach kassieren wir die Belohnung!“
„Weshalb sollte der Zenturio uns das abkaufen?“ Gufus strich sich einen Popel von der Oberlippe und spickte ihn ins Feuer, wo er knisternd verpuffte.
„Wir sagen, die Eltern hätten uns verraten, was für ein außergewöhnliches Kind sie da haben. Denk nach, Gufus, der Zenturio will genauso wie wir diese blödsinnige Mission abschließen und endlich aufs zurück Schlachtfeld dürfen.“ Triumphierend schlug Rufus auf seine Oberschenkel, stand auf und stolzierte einige Schritte um ihr Nachtlager herum. „Wenn wir alle dieselbe Geschichte erzählen, wird uns niemand in Frage stellen. Wir müssen lediglich dafür sorgen, keine Zeugen am Leben zu lassen.“
„Hm“, brummte Gufus, sein Ausdruck erhellte sich. „Dann dürfen wir wieder nach Rom? Bei Venus’ Güte, ich komme zu meiner Liebsten nach Hause?“
„Sofern unser Plan aufge…“, begann Rufus, als Dufus sich plötzlich erhob und sich ereiferte: „Woher nehmen wir das Kind? Kinder wachsen nicht auf Bäumen, auch nicht an Sträuchern.“
„Ach was?“, zischte der ältere der beiden Brüder sarkastisch und schüttelte Dufus’ Bedenken ab. „Wir finden schon eines. Die Leute haben schließlich ständig welche.“
„Mag sein.“ Gufus, dessen freudige Miene einer skeptischen gewichen war, blies seine Wangen auf und ächzte: „Es ist eine Sache, Kinder umzubringen, Infantizid ist in unserer Branche ohnehin kaum der Rede wert, rechtens sowieso. Aber …“ Er schnaufte tief durch und rieb sich über seine buschigen Augenbrauen. „Aber wenn wir eines klauen und den Zenturio anlügen, könnten wir ernsthaft Ärger bekommen.“
„Die Belohnung“, beschwor Rufus den anderen Legionär, ging hinter ihm in die Hocke und umfasste seine Schultern. „Die Belohnung, Gufus, so viele Sesterze, dass du sie nicht mehr zählen kannst. Du könntest deiner Schönen ein nobles Häuschen mitten in Rom bauen, mit eigenem Badehaus.“ Verträumt blickte er in den dunkelblauen Himmel und atmete langsam ein. „Wir hätten ausgesorgt, Gufus, für den Rest unseres Lebens.“
„Das klingt wunderbar.“ Die beiden hockten eine Weile wortlos da und schauten gemeinsam in die Nacht, ein Stern funkelte besonders kräftig, da schlich sich ein Lächeln auf Gufus’ Gesicht. „Du meinst, das klappt?“
„Ja“, bestätigte Rufus, hüpfte hoch und wirbelte herum. „Das ist unsere Chance!“
Dufus drehte sich um, machte sich lang, tastete nach einem der dürren Äste, die sie auf dem Rückweg auf ihren Karren geladen hatten und beförderte ihn ins Feuer. „Und woher bekommen wir ein Kind?“, wollte er wissen, während eine Motte vorbeiflatterte. Sie flog einen Kreis um die Flammen und stürzte beinahe hinein, bevor sie gegen Dufus’ Ohr knallte.
„Oh Dufus, du bist nicht gerade von Minerva geküsst“, kicherte Rufus, setzte sich neben seinen dummen Bruder und klopfte auf dessen Nacken. „Eben haben wir uns darüber beschwert, tagtäglich etliche Neugeborene einsammeln zu müssen.“
„Ah“, machte Dufus, als ihn die Erkenntnis traf, was Gufus ein spöttisches Glucksen entlockte. „Wir nehmen einfach eines mit?“
„Wir nehmen einfach eines mit“, posaunte Rufus siegessicher. „In Betlehem hat es viele schäbige Gegenden, wegen der Volkszählung ist jeder Winkel der Stadt menschenüberlaufen, da gibt es Kinder zu Hauf.“ Gutgelaunt klopfte er auf das Pilum, das neben seinen Sandalen lag und fügte hinzu: „Sollte jemand nicht einverstanden sein, tun wir das, was wir immer tun.“
„Mars sei Dank“, holte Gufus aus und zog sein Gladius aus der Scheide, „sind wir für Gegenwehr bestens gewappnet.“
„Also gut, treiben wir ein männliches Erstgeborenes auf und ernennen es zum Jesuskind.“ Rufus klatschte in die Hände, zerquetschte dabei versehentlich die Motte, sprang auf und rief: „Lasst uns gleich losziehen, Freunde. Die Nacht ist jung und wir voller Tatendrang!“
„Möge Merkur uns beistehen“, nuschelte Gufus, als er Sand auf das Feuer warf.
Das Trio kam an einigen Hirten sowie einem reich geschmückten Wagen vorbei, bog anschließend in eine schmale Straße ein, an deren Ende eine Herberge war. Selbst diese krumme Gasse war hell erleuchtet, Jupiter hatte wohl einen der Sterne mit seinem Blitzlicht gesegnet.
„Fangen wir dort drüben an?“ Dufus gestikulierte, auf seinem letzten Stückchen Brot kauend, mit dem Ellenbogen auf einige schäbige Häuschen neben der Herberge. Seine Sandalen hinterließen quadratlatschige Abdrücke im Lehmboden, davor jeweils ein Punkt, wo seine großen Zehen überragten.
„Ja, klingt gut“, pflichtete Rufus seinem kleinen Bruder bei, dieser war überrascht, Zuspruch vom Älteren zu bekommen.
„Echt?“ Dufus ging an der Spitze seines Trupps voran, richtig stolz darauf, sich einmal als Anführer zu fühlen.
„Hoffentlich finden wir hier einen passenden Jesuskind-Ersatz. Damit wir bald aus diesem schwachsinnigen Dienst rauskommen und ge…“
„Halt!“, zischte Rufus, hielt inne und deutete auf ein Stallgebäude, durch dessen halb geöffnetes Tor einige schlafende Menschen zu sehen waren. „Habt ihr das gehört? Da hat ein Säugling gewimmert.“ Die beiden anderen Legionäre traten herbei, beugten sich vor und linsten ins Innere. „Ich glaube, es liegt in der Krippe“, flüsterte er und schob die Tür vorsichtig weiter auf.
„Pst.“ Gufus stellte sich dicht hinter ihn, gefolgt von Dufus, der auf der anderen Seite gegen das Tor lehnte. „Seid still, weckt die bloß nicht auf. Umso besser, wenn die schlafen, dass sind wir weg, ehe sie uns in die Quere kommen können.“
„Keine Zeugen“, kommentierte Rufus zufrieden.
„Außer dem Esel.“ Dufus zeigte auf das Langohr, das direkt vor dem Futtertrog stand und unverhohlen in ihre Richtung sah.
„Ich wage zu behaupten“, seufzte Rufus und massierte seine Nasenwurzel, „der wird uns nicht verraten. Und nun los, beten wir zu Fortuna, dass es ein Knabe ist.“ Er streifte seine Sandalen ab und befahl Dufus, sein Schuhwerk ebenfalls vor der Scheune zu lassen. „Damit wir möglichst keinen Lärm machen.“ Zu Gufus meinte er: „Du stehst Schmiere“ und an seinen Bruder gewandt: „Du kümmerst dich um den Gaul und ich schnappe mir das Kind.“ Beide nickten. „Los.“ Dann näherten sie sich der Krippe, lautlos, das einzige Geräusch war das leise Schnauben des Esels, indes hielt Gufus gespannt Wache.
Die Finger am Schwertgriff ging Dufus auf das Tier zu und säuselte in seiner besten Eselsberuhigungsstimme: „Braver Esel, ja, was für ein lieber Esel, so ein hübscher Es…“
„Halt die Klappe“, knurrte Rufus und unterdrückte ein Lachen. „Oder willst du das Vieh etwa heiraten?“
„Pst, Esel, hör nicht auf ihn“, nuschelte er weiter, da langte Rufus bei der Krippe an und meldete: „Es ist ein Junge.“ Glücklich über seinen Fund, hielt er das winzige Menschlein hoch, da erklang hinter ihm ein empörtes Quietschen, gefolgt von einem dumpfen Schlag und dem markerschütternden Aufschrei seines Bruders. Erschrocken fuhr Rufus herum und entdeckte Dufus, der auf dem Rücken lag und sich mit aller Kraft gegen den wildgewordenen Esel wehrte. Gufus eilte herbei, setzte dazu an sein Schwert zu ziehen, doch die graue Bestie war zu schnell. Von zwei Hinterhufen getroffen, ging der Legionär jaulend zu Boden, eine Frau kreischte panisch, Hirten rannten herbei und ein Mann brüllte: „Bei Levana, die wollen den Heiland stehlen!“
Vom schieren Chaos geblendet, blieb Rufus wie angewurzelt mit dem selig lächelnden Bub im Arm stehen, da baute sich der Esel vor ihm auf, zuckte mit dem rechten Ohr und fixierte ihn mit dem Blick einer wahrhaftigen Furie. Seine Kammeraden rappelten sich röchelnd auf und ergriffen die Flucht. „Weg hier!“, schrie Gufus und stieß mit einem edel gekleideten Mann zusammen, bevor er aus der Scheune verschwand. Noch immer im Visier der grauen Bestie, legte Rufus das Kind sachte nieder. Ängstlich starrte er den Esel an und hob beschwichtigend die Hände, ehe es ihm gelang, sich aus seiner Starre zu lösen und seinen Komplizen hinterherzujagen.
Schwer atmend hielt sich Gufus an einem Zaun fest, sie waren ohne Sandalen eine geschlagene halbe Stunde gerannt. „Haben wir ihn abgehängt?“
„Ich glaube, ja“, keuchte Dufus und hielt sich die Seite. „Bei Strenua, das ist zu viel für mich!“
„Was machen wir jetzt?“ Gufus wischte sich das verschwitzte Haar aus der Stirn und inspizierte die beiden kreisrunden Male an seiner Brust, wo ihn das Vieh getroffen hatte.
„Keine Ahnung“, zeterte Rufus. „Aber wir verlieren nie wieder ein Wort darüber, was gerade passiert ist.“

Autorinnen: Rahel und Sarah
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